Als ich mein Studium zum Grundschullehrer begann war mir bereits klar, dass es mehr weibliche als männliche Studenten geben würde. Tatsächlich waren wir dann auch nur 7 Männer im gesamten Grundschulbereich, womit der Männeranteil etwa bei 5 % lag.
Kinder sind es gewohnt, sich bis zu einem Alter von etwa 10 Jahren fast nur mit Frauen zu beschäftigen, sei es die Mutter, die Kindergärtnerin oder die Grundschullehrerin. Tagtäglich erfahre ich in meiner Schule, wie wichtig es den Kindern ist auch eine männliche Bezugsperson zu haben. Nicht nur für Jungen sind männliche Lehrer extrem wichtig, auch Mädchen profitieren von Erfahrungen durch andere Arbeitsweisen, alternative Herangehensweisen an Probleme und auch einem anderen Umgang mit Stresssituationen.
Keine Frau könnte einen Mann ersetzen und kein Mann je eine Frau.
15.12.2016 WDR
Warum könnte es sich lohnen, mehr Männer in die Grundschulen zu bringen? "Weil vielen Jungen heute kompetente männliche Vorbilder fehlen, auch in den Familien", sagt der Psychotherapeut Matthias Franz, Professor am Uniklinikum Düsseldorf. Das verunsichere die Jungen latent, denn sie bräuchten kompetente Männer, "um ein stabiles männliches Selbstwertgefühl" zu entwickeln. "Weil die Hoffnung besteht, dass dann Männer in der kindlichen und frühkindlichen Bildung zur Selbstverständlichkeit werden", meint Hannelore Faulstich-Wieland. Allerdings sei der Weg dahin nicht so einfach. Denn derzeit müssen sich die wenigen Männer gerade den schwierigen" Jungen widmen, sind für Technik und Sport zuständig - bedienen damit aber genau die Klischees, die eigentlich überwunden werden sollen.
11. Juni 2016, Zeit online
Jungen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren, sagt der Pädagoge Robert Spruth, bräuchten mehr männliche Lehrer. "Männliche Lehrer verstehen die Bedürfnisse von Jungen besser".
DL-Präsident Josef Kraus sieht die Feminisierung des Lehrerberufs als "nicht unproblematisch" an. Begründung: Immer mehr Heranwachsende haben oft das ganze erste Jahrzehnt ihres Lebens und teilweise darüber hinaus nur mit Frauen zu tun: alleinerziehende Mutter, Kindergartenerzieherin,
Lehrerin. Gerade den Jungen fehle dann ein komplementäres männliches Leit- bzw. Gegenbild, an dem sie sich reiben könnten, sagt er.
26. März 2013, Süddeutsche Zeitung
Die wichtige Frage aber ist: Welche Auswirkungen hat die langfristige "Feminisierung der Grundschule" für die Schüler? Und, braucht es gar eine Männerquote an Grundschulen? "Es ließ sich bisher nicht eindeutig nachweisen, dass es eine Benachteiligung von Jungen im Unterricht gibt, hervorgerufen durch das Überwiegen weiblicher Lehrkräfte", sagt Christoph Fantini, Bildungsforscher an der Universität Bremen. Das Problem sei zwar, dass die Bildungserfolge der Jungen seit Langem stagnierten. Nachweislich machen Mädchen heutzutage häufiger Abitur, sie haben auch bessere Noten - laut Untersuchungen selbst in Fächern, in denen sie im Durchschnitt geringere Kompetenzen haben als Jungen, etwa in Mathematik. Für diese viel zitierte "Jungenkrise" seien mehr Männer an Grundschulen aber allein keine Lösung, glaubt der Forscher. Viel wichtiger wäre eine "jungengerechte Pädagogik" - egal, ob im Klassenzimmer ein Lehrer oder eine Lehrerin steht.